Zum Inhalt springen
Home » Warum das Alter keine Ausrede ist und wie man mit dem Training beginnt

Warum das Alter keine Ausrede ist und wie man mit dem Training beginnt

Heute erfährst du, warum Alter keine Ausrede ist und warum viele der oft erzählten Geschichten und Anekdoten rund um die Themen Alter & Training, Alter & Sport und Alter & Muskeln entweder nicht stimmen oder viel mehr Nuancen haben.

Artikel anhören

Wie oft hast du Sprüche wie die folgenden über das Älterwerden gehört?

  • „Man wird dicker, wenn man das gleiche Essen isst.“
  • „Es ist viel schwieriger, Muskelmasse aufzubauen.“
  • „Man kann sich nicht mehr so gut und schnell regenerieren wie früher.“

Schaut man sich die Durchschnittsdaten an, ist an diesen Überzeugungen etwas dran. In jedem Jahrzehnt nach dem 30. Lebensjahr verlieren wir im Durchschnitt 3–8 % Muskelmasse und 10–20 % Testosteron. Auch die Knochenmasse nimmt kontinuierlich ab, insbesondere bei Frauen nach der Menopause (mehr Details I, mehr Details II, mehr Details III). Gleichzeitig nehmen wir an Fett zu und verlieren an kardiovaskulärer Leistungsfähigkeit, wobei das Herzzeitvolumen und die Sauerstoffaufnahmekapazität etwa 5–10 % pro Jahrzehnt sinken (Studie I, Studie II).

Natürlich spielt das Altern bei diesem körperlichen Abbau eine Rolle. Aber diese Rolle ist viel kleiner als man denkt.

Wie wir in diesem Artikel sehen werden, kommt das alte Sprichwort, dass wir nicht aufhören zu trainieren, weil wir älter werden, sondern dass wir älter werden, weil wir aufhören zu trainieren, der Wahrheit schon sehr nahe.

Stoffwechsel und Lebensalter

Kürzlich wurde die bisher größte Studie zur Entwicklung des Stoffwechsels im Alter veröffentlicht. Die allgemeine Schlussfolgerung lautet, dass der Grundumsatz im Alter zwischen 20 und 60 Jahren, unter Berücksichtigung der fettfreien Masse, weitgehend stabil bleibt.

Ab dem 60. Lebensjahr verlangsamt sich der Stoffwechsel jedoch deutlich, in den meisten Fällen aber nicht vorher. Abgesehen von einigen Ausnahmen ist es daher keine gute Ausrede, den langsamen Stoffwechsel für die Gewichtszunahme verantwortlich zu machen.

Das Schaubild zeigt den altersabhängigen Verlauf des Grundumsatzes (BEE, Basal Energy Expenditure) in Prozent, angepasst an die fettfreie Masse. Es verdeutlicht, dass der Stoffwechsel bis zum Alter von etwa 60 Jahren relativ stabil bleibt und erst danach eine signifikante Abnahme auftritt.

Muskelaufbau im Alter

Ein weiterer weitverbreiteter Glaube ist, dass es mit zunehmendem Alter schwierig ist, noch Muskelmasse aufzubauen, doch auch das stimmt so nicht.

In dieser Studie wurden bei Personen unterschiedlichen Alters, die das gleiche Training absolvierten, keine Unterschiede beim Muskelaufbau festgestellt. Erwachsene im Alter von 30–39 Jahren konnten ihre Muskelmasse genauso steigern wie Jugendliche im Alter von 18–19 Jahren. 

Das Schaubild zeigt den Zuwachs der Querschnittsfläche der Muskulatur (in cm²) nach einem Training, aufgeteilt nach Altersgruppen. Es ist ersichtlich, dass der Muskelzuwachs bei den Altersgruppen 18–19, 20–29 und 30–39 Jahren ähnlich ist, ohne signifikante Unterschiede im Muskelwachstum zwischen den Gruppen.

Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass das Alter die körperliche Reaktion auf Krafttraining nicht einschränkt – zumindest nicht bis zum Alter von 39 Jahren.

Aber was passiert nach dem 40. Lebensjahr? Bedeutet dies wirklich das Ende der Jugend für unsere Muskeln?

Zum Glück nicht.

In einer Studie wurde die Quantität und Qualität des Muskelgewebes von Sportlern im Alter von 40 bis 81 Jahren untersucht, und es konnte kein Zusammenhang zwischen Muskelgröße und Alter festgestellt werden.

Die Untersuchung widerspricht der weitverbreiteten Meinung, dass Muskeln und Kraft mit dem Alter abnehmen. „Im Gegenteil“, heißt es, „diese Verringerungen scheinen eher die Folge chronischer Inaktivität als des zunehmenden Alters zu sein.“

In der folgenden Abbildung wird die Muskelmasse (im Oberschenkel) eines 40-jährigen Sportlers mit der eines 70-jährigen Sportlers verglichen. Die Unterschiede sind gering. Die Abbildung unten zeigt jedoch den drastischen Muskelverlust (bei gleichzeitiger Fettzunahme) bei einer 74-jährigen Person, die keinen Sport mehr betreibt und viel Zeit im Sitzen verbringt.

Das Bild zeigt die Oberschenkelmuskulatur bei sportlichen Personen (40 und 70 Jahre) mit ähnlicher Muskelmasse und bei einer unsportlichen 74-jährigen Person, die deutlich mehr Fett und weniger Muskelmasse aufweist.

Viele Studien – sowohl bei Männern als auch bei Frauen – zeigen keine signifikanten Unterschiede im Muskelaufbau zwischen jungen Menschen in ihren 20ern und älteren Erwachsenen über 60 Jahren (Studie I, Studie II, Studie III, Studie IV).

Es gibt keine Altersgrenze, ab der es unmöglich wäre, Muskelmasse zuzulegen. Selbst nach dem 90. Lebensjahr können wir noch Kraft und Muskeln aufbauen (Studie).

Das bedeutet nicht, dass es mit zunehmendem Alter nicht etwas schwieriger wird, Muskeln aufzubauen, aber die Unterschiede sind weit geringer, als viele glauben (Metaanalyse).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir mehr Muskelmasse verlieren, weil wir sie nicht nutzen, als durch das Älterwerden selbst.

Regeneration und Lebensalter

Wie wir bereits gesehen haben, gibt es kaum Unterschiede in der Reaktion auf Krafttraining zwischen jungen und älteren Menschen. Aber verlieren wir mit zunehmendem Alter möglicherweise die Fähigkeit zur Regeneration?

Anscheinend nicht.

In dieser Studie wurden die Erholungsparameter einer Gruppe junger Männer (18–30 Jahre) mit denen einer Gruppe älterer Teilnehmer (40–59 Jahre) verglichen.

Zwei Tage nach einem intensiven Krafttraining wurden keine signifikanten Unterschiede bei Markern für Muskelschäden, Entzündungen oder Muskelkater festgestellt. Ältere Menschen erholten sich genauso gut wie jüngere.

Und wie sieht es bei Frauen aus? Hier gilt dasselbe.

Das Alter sollte keine Ausrede sein – weder für Männer noch für Frauen

In dieser Studie wurden auch verschiedene Erholungsmarker bei Frauen in den Wechseljahren und Frauen über 40 Jahren mit denen von jungen Frauen ohne Amenorrhoe (20–40 Jahre alt) verglichen.

Die Schlussfolgerung war, dass weder das Alter noch die Menopause die Erholung nach Krafttraining zu beeinträchtigen scheinen.

Immunsystem und Training

Das Altern wirkt sich auf unseren gesamten Körper aus, und auch das Immunsystem bleibt davon nicht verschont.

Doch auch hier gilt: Ein schlechteres Immunsystem ist eher auf Inaktivität als auf das Alter selbst zurückzuführen (mehr Details I, mehr Details II). 

Ein schlechteres Immunsystem ist eher auf Inaktivität als auf das Alter selbst zurückzuführen

In dieser Studie wurde die Immunfunktion von 125 Amateurradfahrern im Alter von 55 bis 79 Jahren untersucht und anschließend mit einer Gruppe von Nichtsportlern desselben Alters sowie einer Gruppe junger Menschen im Alter von 20 bis 36 Jahren verglichen.

Obwohl das Alter seine Spuren hinterlässt, waren viele Funktionen des Immunsystems bei den älteren Sportlern denjenigen der jüngeren Menschen ähnlich. Ihre Thymusdrüsen setzten zum Beispiel etwa genauso viele T-Zellen frei wie die der jüngeren Probanden.

Ähnliche Studien zeigen, dass ältere Menschen, die sportlich aktiv sind, besser gegen Infektionen geschützt sind (Studie I, Studie II), und schon wenige Wochen Training ausreichen, um das Immunsystem zu verbessern (Studie).

Zusammenfassung

All das bedeutet nicht, dass das Alter keine Rolle spielt oder unsere allgemeine Leistungsfähigkeit nicht mit zunehmendem Alter etwas abnimmt. Aber wir haben weit mehr Kontrolle über diesen Prozess, als wir oft glauben.

Wenn wir Statistiken über die Folgen des Alterns sehen, sollten wir nicht vergessen, dass es sich dabei nur um Durchschnittswerte handelt. Der beste Weg, das Schicksal der Durchschnittsperson zu vermeiden, ist zu trainieren.

Körperliche Inaktivität und mangelndes Krafttraining haben einen größeren Einfluss auf den Muskelabbau als das Alter selbst.

Je früher man anfängt, desto besser – aber es ist nie zu spät. Wenn du mit über 50 mit dem Training beginnst, kannst du mehr Kraft und Muskelmasse aufbauen, als du vielleicht in deinen 30ern hattest. Unabhängig von deiner aktuellen Situation wirst du in ein paar Jahren froh sein, dass du heute mit dem Training begonnen hast.

Titelbild: Foto von Matt Bennett auf Unsplash 

Hier kannst du den Artikel mit deinen Freunden teilen

X
LinkedIn
WhatsApp
Telegram
Email

Fehler entdeckt, Kritik, Lob, Themenvorschlag? Dann schreibe bitte eine E-Mail an einwurf@sportfamilie.org