Zum Inhalt springen


D
ie Sportfamilie

Home » Fasten, Frühstück und geistige Leistungsfähigkeit

Fasten, Frühstück und geistige Leistungsfähigkeit

„Ich kann mich nicht konzentrieren bei der Arbeit, wenn ich nichts gefrühstückt habe?“

„Wie sollen meine Kinder in der Schule lernen, wenn sie morgens nichts Ordentliches gegessen haben?“

Solche Aussagen hört man oft. Heute wollen wir herausfinden, ob sie tatsächlich stimmen.

Diese Annahmen werden häufig wiederholt, doch heute möchten wir prüfen, ob sie tatsächlich der Wahrheit entsprechen.

Aus evolutionsbiologischer Perspektive erscheinen sie wenig plausibel. In der langen Geschichte der Menschheit war ein regelmäßiges Frühstück keineswegs selbstverständlich. Wäre unsere geistige Leistungsfähigkeit tatsächlich stark von einer pünktlichen Nahrungsaufnahme abhängig gewesen, hätten wir kaum bis in die Gegenwart überlebt.

Hör dir dazu auch die Folge im Podcast 'Die Sportfamilie' an

Das Gehirn: Energieversorgung auf Autopilot

Unser Körper priorisiert die konstante Versorgung des Gehirns mit Sauerstoff und Nährstoffen – unabhängig davon, ob Nahrung verfügbar ist oder nicht.

Dabei greift er auf Zehntausende von Kalorien aus Fettreserven zurück, die in Glukose und Ketonkörper umgewandelt werden können, um das Gehirn auch bei Nahrungsmangel mit Energie zu versorgen.

Daher besteht kaum ein Zusammenhang zwischen dem Blutzuckerspiegel und der kognitiven Funktion oder Stimmung (StudieMetaanalyse). Die Forscher einer Studie fassen es treffend zusammen: Das Gehirn ist relativ unverwundbar gegenüber punktuellen Nahrungseinschränkungen.“

Interessanterweise zeigt sich, dass Essen häufiger kurzfristig negative Auswirkungen auf die kognitiven Funktionen hat – insbesondere durch die sogenannte postprandiale Schläfrigkeit, die nach dem Essen die Wachsamkeit verringert (Studie, Metaanalyse).

Fasten und kognitive Leistung

Mehrere Studien zeigen, dass tägliches Fasten während des Ramadan die geistige Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigt (Studie IStudie II).

Sogar bei verlängertem Fasten von bis zu 48 Stunden bleibt die kognitive Leistungsfähigkeit auf einem guten Niveau.

In einer Studie wurden zwei Gruppen von Probanden über zwei Tage hinweg mit Flüssigdiäten versorgt. Eine Gruppe erhielt dabei eine fast kalorienfreie Diät (150 Kalorien pro Tag), was einem Fastenzustand entspricht. Die andere Gruppe konsumierte eine Diät mit dem Kaloriengehalt einer normalen Ernährung (2300 Kalorien pro Tag).

Tägliches Fasten hat keinen negativen Einfluss auf die geistige Leistungsfähigkeit.

Die fastenden Probanden waren zwar hungriger und hatten niedrigere Blutzuckerwerte, zeigten jedoch keine schlechteren Ergebnisse in kognitiven Tests, die Gedächtnis, Reaktionsgeschwindigkeit, Lernen und logisches Denken umfassten.

Entscheidend ist, dass die Diäten flüssig und auf Gel-Basis waren, sodass die Teilnehmer nicht wussten, wie viel Energie sie tatsächlich zu sich nahmen. Dadurch wurden mögliche psychologische Einflüsse minimiert.

Der sogenannte Placebo- oder Nocebo-Effekt spielt hier eine große Rolle. Wenn man fest davon überzeugt ist, ohne Frühstück weniger leistungsfähig zu sein, kann dies tatsächlich eintreten (mehr Details).

Eine weitere Studie zeigte, dass ein zweitägiges Fasten zwar die aerobe Leistungsfähigkeit und die Stimmung beeinträchtigt, jedoch keinen Einfluss auf die kognitive Funktion hatte. Ähnliche Ergebnisse wurden auch in einer anderen Untersuchung beobachtet, die sich ebenfalls mit den Effekten eines 48-stündigen Fastens beschäftigte.

 

Fasten für den Geist: Wie Hunger den Verstand schärfen kann

In einigen Studien wurden sogar positive Effekte des Fastens auf die kognitiven Funktionen beobachtet, darunter eine verbesserte geistige Flexibilität (Studie).

Überschüssiges Körperfett wirkt sich weitaus stärker negativ auf die kognitive Leistungsfähigkeit aus als eine kalorienreduzierte Ernährung.

In einer zweijährigen Studie mit leicht übergewichtigen Teilnehmern führte eine Kalorienreduktion um 25 % zu messbaren Verbesserungen der kognitiven Funktionen.

Der alte Gedanke, dass Hunger den Verstand schärft, scheint also tatsächlich einen wahren Kern zu haben.

Frühstück: Mythos oder Muss für Kinder?

Auch die Gehirne von Kindern entwickelten sich in der Altsteinzeit unter Bedingungen, in denen Nahrungsentzug nach dem Abstillen keine Seltenheit war. Der Glaube, dass Kinder ohne Frühstück keine schulischen Leistungen erbringen können, ist jedoch wissenschaftlich kaum belegt.

Ein Überblick über mehrere Studien zeigt, dass der Verzehr von mindestens 20 % der täglichen Kalorien beim Frühstück keinen nachweisbaren Einfluss auf die schulischen Leistungen hat. Selbst eine von Kellogg’s finanzierte Metaanalyse kam zu dem Schluss, dass das Frühstück keinen eindeutigen Nutzen für die geistige Leistungsfähigkeit bietet. Interessanterweise zeigen einige der darin untersuchten Studien sogar bessere akademische Ergebnisse bei Kindern, die nicht frühstücken – vorausgesetzt, ihre Ernährung ist insgesamt ausgewogen.

Das Ziel sollte weder darin liegen, das Frühstück zu erzwingen, noch darin, es grundsätzlich abzulehnen. Frühstück im Kindesalter kann eine sinnvolle Angewohnheit sein, allerdings ist die Qualität entscheidend. Aktuell ist das Frühstück unserer Kleinen oft die schlechteste Mahlzeit des Tages.

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Studien und Erfahrungen zeigen, dass es keinen signifikanten Unterschied in der kognitiven Leistung gibt, ob man frühstückt oder nicht.

Während einige Menschen berichten, dass sie sich beim Fasten konzentrierter und produktiver fühlen, erleben andere das Gegenteil. Entscheidend ist, individuell herauszufinden, was am besten funktioniert – mit dem Wissen, dass das menschliche Gehirn evolutionär bestens an Fastenzeiten angepasst ist.

Zudem verbessert regelmäßige Bewegung die Gehirnfunktion auf vielfältige Weise, und bestimmte Nahrungsergänzungsmittel können diese Wirkung zusätzlich unterstützen.

Titelfoto von Brooke Lark auf Unsplash

Hier kannst du den Artikel mit deinen Freunden teilen

Email
X
LinkedIn
WhatsApp
Telegram

Fehler entdeckt, Kritik, Lob, Themenvorschlag? Dann schreibe bitte eine E-Mail an einwurf@sportfamilie.org

Lust auf mehr?

Warum unsere Lebensmittel an Geschmack verloren haben – und was passiert, wenn Kinder selbst entscheiden, was sie essen

Hast du dich jemals gefragt, warum Erdbeeren im Supermarkt oft nach nichts schmecken? In einer Welt, in der verarbeitete Lebensmittel den Geschmack dominieren, verlieren echte Nahrungsmittel an Qualität und Nährwert. Unser Geschmackssinn, ein präzises Instrument, wird durch künstliche Aromen verwirrt. Doch was, wenn wir lernen könnten, wieder auf die natürliche Sprache des Geschmacks zu hören? Entdecke in diesem Artikel, wie du deine Gesundheit verbessern kannst, ohne auf Genuss zu verzichten, und erfahre, warum der Geschmack der beste Ernährungsberater ist. Tauche ein in die faszinierende Verbindung zwischen Geschmack und Nährstoffen!

Weiterlesen »

Gestalte dein Umfeld

Heute konzentrieren wir uns auf die dritte Komponente des menschlichen Verhaltens: den Weg. Die Instinkte des Elefanten sind besser zu kontrollieren, wenn ihn der Weg zu erstrebenswerten Zielen führt und dein Umfeld für und nicht gegen dich arbeitet. 

Weiterlesen »

Bessere Orientierung, bessere Gesundheit: Warum es sich lohnt, Google Maps öfter mal wegzulassen

Orientierung ist nicht nur eine praktische Fähigkeit, sondern auch ein Schlüssel zu geistiger und körperlicher Gesundheit. Studien zeigen, dass Berufe wie Taxifahrer, die stark auf räumliche Orientierung angewiesen sind, ein geringeres Risiko für Alzheimer haben. Gleichzeitig könnte die ständige Nutzung von GPS diese Schutzfunktion mindern. Orientierungsläufe, bei denen Bewegung und Navigation kombiniert werden, bieten eine ideale Möglichkeit, Gehirn und Körper fit zu halten. Entdecke in diesem Artikel, wie du durch kleine Veränderungen im Alltag deine Orientierungsfähigkeit trainierst – und dabei ganz nebenbei deine Gesundheit förderst!

Weiterlesen »